Thesen eines Ketzers
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Geld ist erfunden worden um materiell mögliche Sachen finanziell zu vermöglichen

Thesen eines Ketzers (Version von 1996.04.10.)


    These 1:

"Es fehlt das Geld", und "Es ist finanziell unmöglich", sind für einen Staat keine Argumente um etwas zu unterlassen, das physisch, materiell möglich ist, von einer Mehrheit erwünscht wird und keine wesentlichen Rechte einer Minderheit oder mehreren Minderheiten verletzt. Es ist die wesentliche Aufgabe eines Finanzministers dasjenige finanziell zu ermöglichen, was den obigen Kriterien genügt.

Argumentation:
Geld ist nicht erfunden worden um physisch, materiell mögliche Sachen finanziell zu verunmöglichen, sondern, im Gegenteil, um diese Sachen leichter zustande zu bringen, d.h. um wirtschaftliche Transaktionen zu erleichtern. In dieser Hinsicht läßt eine private Person oder ein privates Unternehmen sich nicht mit einem Staat vergleichen.


    These 2:

Die Konsequenz des obigen Satzes ist, daß man entweder zusätzliches Geld hineinpumpen muß, mit der eventuellen Folge: Inflation (Steigerung des allgemeinen Preisindex), oder, wenn man dieses mit Recht unannehmbar findet, zunehmende öffentliche Schuld.

Argumentation:
Im allgemeinen ist man der Meinung, daß auch eine unbeschränkt zunehmende Staatsschuld unannehmbar ist, weil man, zu Unrecht, meint, daß Tilgung und Zinszahlung dieser wachsenden Staatsschuld zu Lasten der Steuerzahler kämen. Diese Frage wollen wir genau untersuchen. (Weil es mir unmöglich ist in ASCII griechische Buchstaben zu gebrauchen, benutze ich im Folgenden das Symbol [D] statt des großen griechischen Delta; es bedeutet die Differenz zwischen zwei einander folgenden Werten der nach diesem Symbol erwähnten Größe.) Bezeichnen wir den Umfang der Staatsschuld mit S, dessen Zunahme während der Zeitspanne [D]t mit [D]S, den mittleren Zinsfuß für die Staatsschuld mit r, dann beträgt der vom Staat in der Periode [D]t zu bezahlen Zins: rS[D]t.

Im Folgenden werden wir 5 Fälle betrachten:

        (1) [D]S  <  0
        (2) [D]S  =  0
        (3)  0  < [D]S  <  rS[D]t
        (4) [D]S  =  rS[D]t
        (5) [D]S  >  rS[D]t
Nehmen wir einmal an, daß während der betreffenden Zeitspanne, die Staatsschuld konstant bleibt. Das würde bedeuten, daß der ganze Zins aus Steuereinnahmen bezahlt wird, und dabei keine Schuldtilgung stattfindet. Diesen Fall haben wir oben mit (2) angedeutet. Wird nicht nur der Zins bezahlt, sondern findet auch Schuldtilgung statt, dann haben wir mit Fall (1) zu tun: die Zunahme der Staatsschuld ist negativ.

Nimmt die Staatsschuld mit dem Betrag des Zinses zu (4), dann werden diese Zinsen völlig aus neuen Darlehen an den Staat bezahlt. Zu Lasten der Steuerzahler kommt die Verzinsung der Staatsschuld unter diesen Umstände nicht!

Im Fall (3) wird die Verzinsung teilweise von den Steuerzahler, und teilweise von den Käufer von Staatsobligationen bezahlt. Letztere bekommen zwar eine Forderung an den Staat, aber weil die Gläubiger des Staates niemals einen Anspruch auf Sachgüter des Staates erheben können, ist eine solche Forderung bloß "papierenes Vermögen", wie es die ganze Staatsschuld ist und bleiben muß. Jeder Versuch die öffentlichen Schulden zu tilgen wäre im Kapitalismus, und vermutlich auch in einer Freiwirtschaft, katastrophal für sowohl die Wirtschaft, wie die Demokratie. Die Geschichte der Jahre 1930-1933 möge ein Menetekel sein.

Schließlich haben wir den Fall (5): nicht nur die Verzinsung der Staatsschuld wird durch Neuverschuldung bezahlt, sondern darüber hinaus leiht der Staat noch für andere Zwecke. Wir müssen uns also merken, daß in den Fällen (4) und (5) die ganze Verzinsung der zunehmenden Staatsschuld nicht zu Lasten der Steuerzahler kommt.

Im Fall (3) ist das nur teilweise so, und die Fälle (2) und (1) entsprechen der Wirklichkeit nicht. Wenn aber neue Anleihen ausbleiben würden, könnten Tilgung und Zinszahlung dem Haushaltsplan Schwierigkeiten bereiten. Solche Schwierigkeiten können dadurch vermieden werden, daß man die Staatsschuld zu einer Schuld auf der Basis von Obligationen mit Zinseszinsen konvertiert und jährlich nur eine so beschränkte Zahl an Obligationen auslosen läßt, daß Budgetschwierigkeiten ausbleiben. Außerdem müßte es für diese Obligationen einen billigen Markt geben, damit, unter normalen Bedingungen, jeder Besitzer solcher Obligationen sie zu jeder Zeit ohne nennenswerte Kosten zum Nennwert irgend jemandem, der in dem Augenblick solche Obligationen erwerben will, verkaufen kann. So würden diese Obligationen eine attraktive, quasi-liquide Sparform.

Mein Bedenken gegen eine große Staatsschuld ist, daß, solange der Zins noch nicht Null ist, diese Staatsschuld, die ein gleich großes (papierenes) privates Vermögen repräsentiert, die Neigung hat den Zinsfuß hochzuhalten. Aber die Alternative, "finanzielle Unmöglichkeit", ist durchaus unannehmbar.


    These 3:

"Gerechtigkeit - Frieden - Unversehrtheit der Schöpfung" (wird das so in deutschen kirchlichen Kreisen genannt?? Wenn nicht, bitte korrigieren.) sind schöne Ziele, aber sie sind nicht realisierbar in einer Welt die auf Ausbeutung programmiert ist.

Argumentation:
Diese These braucht m. E. wohl keine nähere Erläuterung.


    These 4:

Es gibt zwei grundlegende strukturelle (institutionelle) Ursachen von "Ausbeutung":

  • (1) das private Eigentum an natürlichen Reichtümer (Grund und Boden und Bodenschätzen) und das daraus hervorgehende private Einkommen;
  • (2) den Zins (von geliehenem Geld). Beide zusammen bilden das institutionell bestimmte leistungslose Einkommen aus Vermögen.

Argumentation:
Zu 1. Die natürlichen Reichtümer sind nicht product menschlicher Arbeit und alle Menschen, überhaupt alle Kreaturen, sind für ihr Leben auf diese natürlichen Reichtümer angewiesen. Es geht nicht an, daß jemand sagt: "Dieses Land gehört niemandem (Eingeborene zählen natürlich(!) nicht mit), und deshalb erkläre ich dies zu meinem Eigentum, oder ich nehme es in Besitz für diesen oder jenen Staat". Ein Rechtssystem das solche Erklärungen als rechtsgültig betrachtet - in unserem Fall das römische - ist völlig verwerflich. Naturvölker kennen kein privates Grundeigentum. Das Alte Testament (Lev. 25 : 23) erklärt: "Nicht werde das Land in die Dauer verkauft, denn mein ist das Land, denn Gäste und Beisassen seid ihr bei mir." (übersetzung von Martin Buber).

Zu 2. Eine positive Rendite von einer Investition ist keine Selbstverständlichkeit. Sie wird erst eine Quasi-Selbstverständlichkeit, wenn es ein "Grenzschatzgut" gibt mit einem positiven "Eigen-Zinsfuß" (siehe Keynes: Allgemeine Theorie ...., Kap. 17, Abschnitt ii). Das bedeutet nämlich daß dieses Grenzschatzgut die untere Grenze des Zinses bestimmt. Ist diese positiv, so bedeutet das, daß von allen Investitionen eine Rendite erwartet wird, die ausreicht um das investierte Kapital zu verzinsen, und wo möglich mehr.

Seit man vor etwa 3000 Jahren irgendwo im Nahen Osten Edelmetall (Gold und Silber) (d.h. etwas Unvergängliches) für die Geldfunktion gewählt hat, und weil das heutige Geld zwar nicht mehr aus Edelmetall besteht, aber davon doch die "Unverderblichkeit", die "Kostenfreiheit" beibehalten hat, und weil für solches Geld die untere Grenze des Eigen-Zinsfußes völlig von der Liquiditätsprämie, die nicht zu Null reduziert werden kann, bestimmt wird, sondern schon bei einem noch positiven Wert (zwischen 2 und 3 % pro Jahr) zu einer absoluten Liquiditätsvorliebe, zur "Liquiditätsfalle" führt, und weil eine redlich hohe Liquiditäts(verzichts)prämie Bedingung ist für einen redlich schnellen Geldumlauf (also für einen hohen Wirkungsgrad des Geldes), ist es klar, daß mit dem Geld wie wir es jetzt kennen, keine "Zinslosigkeit" zu erreichen ist. Es sei mir gestattet darauf hinzuweisen, daß sowohl die Bibel (das Alte und das Neue Testament), als auch der Islam das Zinsnehmen verurteilen. (Siehe, z. B., Lev. 25 : 36.)


    These 5:

Um dieser strukturell (institutionell) bedingten Ausbeutung ein Ende zu bereiten, sind mindestens zwei Maßnahmen nötig:

  • Die unverdiente Einnahmen aus natürlichen Reichtümer müssen an die Gemeinschaft - im Prinzip an die Menschheit als Ganzes - gehen;
  • Geldbesitz muß mit Kosten (von etwa 10% pro Jahr) verbunden werden.

    1. wäre möglich ohne 2; 2 ist aber nicht möglich ohne 1.

Argumentation:
Nach Keynes (loc. cit.) ist die Liquiditätsprämie für Geld gleich der Summe von Geldzinsfuß (für langfristige, risikofreie Anleihen) und den mit Geld verbundenen Kosten (z.B. Umlaufgebühr). Das heißt, daß wenn die Kosten 10 % pro Jahr wären, die Liquiditätsprämie für Geld, bei Zinsfuß Null, 10 % pro Jahr betragen würde, ebensoviel wie jetzt der Fall ist bei einem Zinsfuß von 10 % pro Jahr. Die Einführung solcher Kosten ist technisch ganz einfach und es könnte nicht fraudiert werden. Allfällige Schwierigkeiten sind rein politischer Art.

Wollte man den Zins auf Null bringen ohne "Sozialisierung" des Bodenzinses, dann würden, bei sinkendem Zinsfuß, die Bodenpreise hochklettern und schließlich nach unendlich tendieren. Der Bodenpreis ist im Prinzip gleich dem Ertrag des Bodens (Grundrente) dividiert durch den Zinsfuß. Argumente, daß nach unendlich tendierende Bodenpreise unannehmbar sind und daß somit eine Lösung der Zinsfrage ohne eine Lösung der Bodenfrage nicht in Betracht kommt, scheinen sich zu erübrigen.



    These 6:

Das Geld, wie wir es kennen, kann nicht ordentlich funktionieren, weil es gemeint ist in sich drei Funktionen, die logischerweise unvereinbar sind, zu vereinigen, nämlich:

  • die Funktion einer Recheneinheit, worin man Preise, Löhne, Schulden und Forderungen ausdrückt, und der wir Stabilität, Wertbeständigkeit beimessen müssen;
  • die Funktion eines Zahlungsmittels, eines Tauschmittels, das effizient sein soll, das mit redlicher Geschwindigkeit Bezahlungen leistet, d.h. umläuft;
  • die Funktion eines Schatzgutes, eines Sparmittels.

Argumentation:
Ein Schatzgut oder Sparmittel zirkuliert, seiner Art nach, nur sehr träge, im Gegensatz zu dem was von einem Zahlungsmittel erwartet wird. Außerdem läßt sich von einem Schatzgut nicht vorhersagen, wieviel wir dafür bekommen werden, wenn wir in einem noch unbekannten Augenblick in der Zukunft das Schatzgut gegen Gebrauchs- und Verbrauchsgüter und Dienste umtauschen wollen; das wird ganz von der derzeitigen, unvorhersehbaren Marktlage abhängen. Folglich ist die Funktion eines Schatzgutes logischerweise weder mit der Zahlungsmittelfunktion, noch mit der Recheneinheitfunktion vereinbar.

Bei These 5 wurde schon gesagt, daß der Liquidität, d.h. dem Zahlungsmittel, Kosten angeheftet werden müssen. D.h.: das Zahlungsmittel muß vergänglich sein, muß an Wert verlieren, während die Recheneinheit konstant sein muß. Auch diese beiden Funktionen sind deshalb unvereinbar. (Man kann allerdings die Einheit in der ein Girosaldo ausgedrückt wird, an die Recheneinheit konformieren mit Hilfe eines negativen Zinsfußes für Girosalden. Das bedeutet dann, daß ohne sonstige Žnderungen durch (geleistete und erhaltene) Zahlungen, die Girosalden durch den negativen Zins, den die Besitzer von giralem Geld über ihre (positiven) Salden bezahlen müssen, allmählich schrumpfen). Es folgt hieraus, daß die drei genannten Funktionen getrennt werden müssen, daß die Kaufkraft des Papiergeldes, einer Banknote, ausgedrückt in der "Recheneinheit", mit einer Geschwindigkeit von ca. 10 % pro Jahr abnehmen muß; daß wegen der hohen Kosten solches Geld als Schatzgut untauglich ist und etwas anderes die Schatzgutrolle übernehmen muß.


    These 7:

Nicht-trennen der Zahlungsmittelfunktion von der Recheneinheitfunktion, verbunden mit einer konstanten Inflation (Steigerung des allgemeinen Preisniveaus mit einer konstanten Rate pro Jahr) und einem dementsprechenden nominellen Zinssatz, scheint theoretisch völlig mit Trennung der Zahlungsmittel- und Recheneinheit-funktionen durch Einführung von in der konstanten Recheneinheit ausgedrückten und mit dem Zahlungsmittel zu bezahlenden Liquiditätskosten (Umlaufgebühr) überein zu stimmen. In der Praxis, aber, verdient letztere Methode bei weitem den Vorzug.

Argumentation:
Setzen wir den Fall, es gebe einen nominellen Zins von 10 % pro Jahr und eine Inflation von ebenfalls 10 % pro Jahr. Der Preisstand und das Lohnniveau, sowie Pächte (Bodenrenten) steigen (nominell) um 10 % jährlich.

Nehmen wir ferner an, ein Unternehmer will investieren und leiht sich dafür von einem Geldverleiher, zu einem Zins von 10 % jährlich, einen Betrag von 10 "Einheiten", und jährlich zahlt er dem Gläubiger denselben Realbetrag (d.h. nominell jedes Jahr 10 % mehr), bis die ganze Schuld erledigt ist. D.h.: am Ende des 1. Jahres bezahlt er 10 % von den 10 geliehenen Geldeinheiten [diese "Geldeinheit" mag irgend eine Geldsumme sein], also 1 Geldeinheit. Am Ende des 2. Jahres 1,1 Einheiten; am Ende des 3. Jahres 1,21 Einheiten, am Ende des x. Jahres 1,1^(x-1) Einheiten.

Es ergibt sich, daß am Ende des x. Jahres, nach der dann fälligen Zahlung, die Restschuld noch (11-x)*1,1^(x-1) Einheiten beträgt. Die jährlichen Zahlungen sind zum Teil Zins und zum Teil Tilgung. Der Zins beträgt:

           0,1*(12-x)*1,1^(x-2) Einheiten, und die Tilgung

    1,1^(x-1) - 0,1 * (12-x) * 1,1^(x-2) = {1,1 - 1,1 + 0,1 * (x-1)} * 1,1^(x-2) = 0,1*(x-1) * 1,1^(x-2) Einheiten = (12-x) * 1,1^(x-2) - (11-x) * 1,1^(x-1) = (12 - x - 12,1 + 1,1 * x) * 1,1^(x-2) = 0,1 * (x-1) * 1,1^(x-2) Einheiten.

Aus dem obigen ergibt sich, daß in diesem Fall die Schuld nach 11 Jahren völlig getilgt sein wird, denn nach 11 Jahren ist

    
           x = 11 und ist (11-x) = 0 = (11-x)*1,1^(x-1).
           
    
Im Laufe der ersten 11 Jahre erhält der Gläubiger 11 mal einen Betrag mit der Kaufkraft von 0,1/1.1 dessen, was er ausgeliehen hat, also, soweit es Kaufkraft anbelangt, insgesamt genau soviel, wie er ausgeliehen hat. Er hat weder Profit, noch Verlust.

Hätten wir statt dessen geschiedene Recheneinheit- und Zahlungsmittelfunktionen, Zinsfuß Null, und 10 % Liquiditätskosten jährlich, so wäre das Ergebnis (fast) genau dasselbe. (Hier wäre nach der Zahlung am Ende des 1. Jahres, die Schuld noch 100/11 Einheiten; im anderen Fall wäre die erste Zahlung formell nur Zinszahlung; die Schuld wäre nominell ungeändert, 10 Einheiten, aber, mit realem Maß gemessen, 10/1,1 = 100/11 Einheiten.) Seine Investitionen hätte unser Unternehmer in beiden Fällen in genau demselben Ausmaß zusammen sparen müssen.

Die selbe Sache noch einmal anders dargestellt:
Eine Schuld sei am Ende des t. Jahres groß [St] in realem Maß gemessen, und nominell [St]*(1+r)^t . Der Zinsfuß = die Inflationsrate = r pro Jahr. Die Schuld wird in n Jahren, mit n real gleich großen jährlichen Raten getilgt.
Diese Raten sind real:

               [S0]/n , und nominell: [S0]*(1+r)^(t-1)/n,
    
       ("Zins" für die Schuld am Anfang des t. Jahres + Tilgung).
    ______________________________________________________________________
    Jr | Nach der t. Ratenzahlung    |  ist die verbleibende Schuld
       | real bzw. nominell          |      real       bzw.   nominell
       |                             |
    t  |[S0]/n  {[S0]*(1+r)^(t-1)}/n |[St] = [S0]*(n-t)/n  [St]*(1+r)^t
       |                             |
    0  |   -           -             |      [S0]                [S0]
    1  |[S0]/n   [S0]/n              |[S1] = [S0]*(n-1)/n    [S1]*(1+r)
    ...|.............................|....................................
    n  |[S0]/n  {[S0]*(1+r)^(n-1)}/n |  [Sn] = 0      [Sn]*(1+r)^n  = 0
    
    
Offensichtlich gibt es da in theoretischer Hinsicht keinen Unterschied. Der praktische Nachteil der Inflation-mit-Zins-Methode ist, daß alle Geldpreise fortwährend und regelmäßig steigen müssen. Das gilt auch für den Geldwert des Sachvermögens. Im Vergleich mit einer konstanten Recheneinheit, kombiniert mit Banknoten die einer Umlaufgebühr und Sichtguthaben die einem entsprechenden negativen Zins unterliegen, scheint mir die Inflation-mit-Zins-Methode sehr umständlich und vermutlich noch unsicher obendrein.

Um den Zins auf 10 % im Jahr zu halten, müßte der Staat fortwährend Obligationen die 10 % Zins im Jahr tragen, anbieten. (Vgl. Helmut Creutz: "Läßt sich der Geldumlauf durch eine dosierte Inflation sichern?" in "Z. für Sozialökonomie" 104. Folge, und in "Fragen der Freiheit", Heft 234 (1995).


    These 8:

Zins fördert zwar den finanziell vorteilhaftesten, aber nicht den wirtschaftlichsten Einsatz knapper Güter, im Gegenteil: je höher der (absolute) Wert des Zinssatzes, desto größer ist die "Verschwendung".

Argumentation:
Wirtschaftler behaupten immer wieder, daß der Zins das notwendige Instrument für die wirtschaftliche Allokation knapper Güter ist. Tatsächlich aber ist es vielmehr so, daß Verschwendung um so größer ist, je höher (im absoluten Sinne) der Zinssatz. Die Folge - eines positiven Zinses - ist, daß Kosten, je nachdem sie weiter entfernt in der Zukunft aktuell werden, weniger schwer wiegen. Das hat zur Folge, daß eine weniger wirtschaftliche (= sparsame) Alternative, z.B. ein öl- oder gasgeheiztes Kraftwerk, mit relativ geringen unmittelbaren Kosten, aber mit hohen künftigen (Brennstoff-) kosten, sich infolge des Zinses als finanziell vorteilhafter ausweist, als eine viel wirtschaftlichere und ökologisch den Vorzug verdienende Alternative mit zwar relativ hohen anfänglichen Anlagekosten, aber mit nur sehr geringen künftigen laufenden Kosten (z.B. ein Kraftwerk auf Basis von Sonnen- oder Windenergie)(Dieter Suhr). Die Folge davon ist, daß diese letztere Alternative, weil sie, wie es heißt, "nicht konkurrenzfähig" ist, ausscheidet.

Zins macht kurzsichtig, fördert die "Wegwerfkultur". Ich möchte dies an einem Beispiel erläutern. Es gilt ein bestimmtes Bedürfnis zu befriedigen. Wir nehmen an, daß, betreffs des dazu benötigten "materiellen Kapitals", z.B. eines Hauses, einer Maschine, oder eines Autos, wir die Wahl haben zwischen einem Gut mit einer Lebensdauer von n Jahren und einem mit einer Lebensdauer von 2n Jahren. Die Frage ist: wieviel darf, um konkurrenzfähig zu sein, letzteres, soweit es um die Initialinvestition geht, mehr kosten, als ersteres, wenn wir dabei annehmen, daß die jährlichen Instandhaltungskosten in beiden Fällen gleich sind, und in den Investitionskosten die Abbruch- und Aufarbeitungskosten enthalten sind? Das hängt ab von der Größe von n und von der Höhe des Zinssatzes r (in % pro Jahr), Die nachfolgende Tabelle zeigt, wieviel mal so hoch die Investition im zweiten Fall höchstens sein darf:

                     n | r  0    5      8     10
                     --|--------------------------
                     5 |    2  1,783  1,680  1,620
                    10 |    2  1,613  1,463  1,385
                    25 |    2  1,295  1,146  1,092
                    50 |    2  1,087  1,021  1,008
Es braucht nicht dargelegt zu werden, daß hoher Zins "Schwindelbau" fördert. Im allgemeinen kann man sagen, daß es, bei einem gewissen Stand(?) (Entwicklungsgrad) der Technik, für die Herstellung eines bestimmten productes einen bestimmten, materiell optimalen "Herstellungsweg" gibt. Gibt es nun einen positiven Zins, so erspart man durch die Wahl eines kürzeren Herstellungsweges mehr an Zins, als die sich dadurch ergebenden materiellen Mehrkosten (für Rohstoffe und Arbeit). Gäbe es, umgekehrt, einen negativen Zins, so wäre für einen Unternehmer der mit geliehenem Kapital arbeitet, ein längerer Herstellungsweg als der materiell optimale vorteilhafter; da muß ja der Geldverleiher ihm mehr und länger Zins bezahlen. Zinsfuß Null definiere ich deshalb als denjenigen Zinssatz, bei dem alle Herstellungswege ihrer materiell optimalen Länge zustreben.


    These 9:

Ein positiver Zinssatz bedeutet, daß investiertes Kapital eine Rendite liefern muß, woraus der Zins über das Kapital bezahlt werden kann. Die Verzinsung von Investitionen kann in zweierlei Weise aufrecht erhalten werden:

  • 1. durch Beibehaltung der Knappheit;
  • 2. durch immer schnellere Zunahme der nicht-productiven privaten Vermögen (Schatzgüter), eine Möglichkeit, die Keynes übersehen hat.

Erläuterung:
2. hat faktisch ein unbeschränktes Wachsen der Staatsschuld zur Folge; 1. erfordert dauernde Kapitalvernichtung (durch heiße und kalte Kriege; durch Wirtschaftskrisen und Rezessionen; durch Wegwerfwirtschaft; durch Plunderproduction; durch Arbeitslosigkeit; usw.) um die Wirkung unserer Bestrebungen, die Knappheit zu überwinden, zunichte zu machen. Wir setzen grimmig unsere Bestrebungen fort und verursachen dadurch eine ökologische Katastrophe, verschwenden unsere natürlichen Ressourcen, und meinen, daß das dadurch vermehrte BSP oder BNP ein Maß für unseren Wohlstand ist. Wir haben die Wahl.


    These 10:

Für die Funktion des Grenzschatzgutes, d.h. des vorteilhaftesten Schatzgutes das dem "letzten", dem "Grenzsparer", noch zur Verfügung steht, empfiehlt sich eine nicht-zinstragende, von Staats wegen unbeschränkt pari angeboten Obligation.

Argumentation:
Die Herstellung eines solchen Schatzgutes kostet nahezu nichts und warum sollte man für diese Funktion Güter machen, mit hohen Herstellungskosten, wenn ein Fetzen Papier es gleich gut, oder sogar noch besser tut? überdies, und das ist sehr wichtig, würde mit Hilfe eines solchen Grenzschatzgutes ein Absinken des langfristigen Zinsfußes unterhalb Null verhindert werden. Ein negativer Zinsfuß ist genauso unerwünscht, wie ein positiver. Wie schon gesagt in der Argumentation zu These 2, sollte es einen billigen Markt für diese Obligationen geben, damit sie quasi-liquide seien und eine attraktive Sparform bilden.


    These 11:

Der Staat muß leihen, nicht nur um sich Geld zu beschaffen, sondern auch um es Sparer zu ermöglichen in einer nicht-beschwerlichen Form zu sparen. Das geliehene Geld muß ausgegeben werden, wenn nicht vom Staat selbst, so von den Bürger, die es von Staats wegen als zusätzliches Einkommen erhalten.

Argumentation:
Anscheinend sind wir "psychologisch" so beschaffen, daß dies nötig ist um in einer gesunden Weise Gleichgewicht zwischen Angebot und Nachfrage zu erreichen. Wenn wir in erster Linie mit einander mehr sparen, als es Sinn hat zu investieren, so muß der Rest dem Staat geliehen werden, woraus sich eine papierene "Ersparnis" ergibt; der Staat verteilt diesen Rest alsdann gleichmäßig unter uns; das liefert eine Portion papierenes Extra-Einkommen, gleich der papierenen Ersparnis. So kann unsere "Sparwut" unschädlich gemacht werden.


    These 12:

Es soll Vollbeschäftigung geben.

Erläuterung:
Was bedeutet das? Nicht Beschäftigung für jeden der arbeitsfähig ist, sondern für jeden der bezahlte Arbeit zu Marktbedingungen wünscht. Das ist immer realisierbar mittels eines allgemeinen arbeitsfreien Einkommens das gerade so hoch ist, daß gerade soviele Leute sich freiwillig vom Arbeitsmarkt zurückziehen, daß es keine unfreiwillige Arbeitslosigkeit gibt.

Das allgemeine arbeitsfreie Einkommen wäre zu finanzieren aus der sozialisierten Bodenrente (These 5). Eine andere Möglichkeit wäre: das allgemeine arbeitsfreie Einkommen als productionskosten zu betrachten, und zwar als Kosten für "den 4. productionsfaktor", "das allgemeine kulturelle Erbe", dessen gleichberechtigte Erben alle Menschen sind. (Diese Idee stammt aus dem Gedankengut von "Social Credit" [C.H.Douglas].) Aus diesem Blickwinkel könnte die Mehrwertsteuer eine Quelle für die Finanzierung des allgemeinen arbeitsfreien Einkommens sein.

Eine dritte Quelle wären Gebühren für Liquidität (Umlaufgebühr): das Geld das dadurch in erster Linie dem Umlauf entzogen wird, muß sofort dem Umlauf wiedergegeben werden, und das könnte mittels eines allgemeinen arbeitsfreien Einkommens geschehen. Eine vierte Möglichkeit wäre schließlich - solange die Einkommen aus Vermögen, des hohen Zinsfußes wegen, hoch sind - die Finanzierung durch weitere Staatsverschuldung. Fazit: Es gibt Möglichkeiten genug um ein allgemeines arbeitsfreies Einkommen das Vollbeschäftigung gewährleisten muß, zu finanzieren.


    These 13:

Ein Wirtschafts- und Währungssystem ist erst dann gut zu nennen, wenn es auch dann optimal und ohne Verschwendung funktionieren würde, wenn es alle Menschen bevorzugten, wie Asketen zu leben.

Erläuterung:
Ein Wirtschaftssystem das fortwährendes Wachstum und Verschwendung braucht um einigermaßen funktionieren zu können, ist nicht länger zuzustimmen.


    These 14:

Es ist an der Zeit, die Keynes'schen Vorschläge von 1944 endlich ernst zu nehmen.

Argumentation:
Im Jahre 1944 hat Keynes in Bretton Woods einen vernünftigen Vorschlag gemacht: Gründung einer "Internationalen Clearing-Union", und Einführung einer stabilen Welt-Recheneinheit, die er "Bancor" genannt hat. Die Clearing-Union würde für alle Staaten die erhaltenen und geleisteten Zahlungen in Bancor buchen. Um ausgeglichene Zahlungsbilanzen zu fördern sollten Länder mit positivem Saldo auf ihrer Bilanz der Union über dieses positive Saldo einen (negativen) Zins bezahlen, während Länder mit einem negativen Saldo einen (positiven) Zins zu bezahlen hätten. Es würde so im Interesse eines jeden Landes sein, eine möglichst ausgeglichene Bilanz anzustreben und nicht länger ein positives Saldo als "günstig" zu bezeichnen.

(Vermeintliche) USA-Interessen wogen damals schwerer als die Interessen der Welt. Keynes' Vorschlag hat den kürzeren gezogen. Der US-Dollar wurde als internationale Recheneinheit eingeführt, und davon spürt die Welt täglich die unangenehmen Folgen. Vielleicht daß diese Tatsache dazu führt, daß man sich doch einmal des Keynes'schen Vorschlags erinnern wird.


    These 15:

LET Systeme (Local Exchange and Trading Systems) u. ä. "monetäre" Initiativen von unten sind außerordentlich wichtig.

Argumentation:
Sind auch ihre Beiträge zur gesamten production von Güter und Dienstleistungen im allgemeinen relativ gering, ihr Beitrag den Bürger Einsicht in Währungsfragen beizubringen kann m. E. nicht überschätzt werden. In einer Welt wo Demokratie durch völliges Fehlen von Verständnis und Einsicht bei den Bürger, die sowohl im Unterricht (Wirtschaftsunterricht) als von den Medien dumm gehalten werden, nicht mehr als ein Feigenblatt für die Plutokratie ist, wird dem Mann in der Straße in der Praxis demonstriert, daß auch ohne "Geld" Transaktionen stattfinden können und daß "es ist finanziell unmöglich" Unsinn ist. Diese Schulung ist eine Bedingung für eine politische Wende. Es gibt wenig Grund zum Frohlocken über eine (eventuelle) monetäre Unifikation Europas. Diese wird durch die Heterogenität der Völker in diesem Gebiet und durch die mangelhafte Kommunikation zwischen den Bürger dieser verschiedenen Völker, die notwendige Währungsreform nur erschweren. Auch deshalb sind LETS u.a. ein kleiner Lichtblick in dieser Finsternis.


    These 16:

Esperanto bietet den Bürger Europas und der Welt die Möglichkeit auf Grundlage von gegenseitigem Respekt und von Gleichwürdigkeit zu kommunizieren und diskutieren, auch über diese für das Funktionieren der Demokratie zo ungeheur wichtige Angelegenheiten.

Argumentation:

Esperanto ist für niemanden eine "fremde Sprache" (das heißt, eine Sprache von Andern, aber nicht von mir), aber ist eine "eigene Sprache" für jeden der sich ihrer bedient. Sie is viel leichter zu lernen und zu benutzen als irgend eine ethnische Sprache auch immer.


Dr. W. Peter Roelofs,
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